Montag, November 06, 2006

... ein nettes Ablenkungsmanöver

... der bürgerlichen (Online)Presse sollte auch entsprechend gewürdigt werden. Das wollen wir doch ´mal tun: Die ZEIT hat also in der Online-Ausgabe Bandbreite und Webspace vergeudet für ein gar feines Pamphlet zum Thema Computerspiele, Jugendgewalt und Verdummung. Tja, die Quintessenz ist ´mal wieder ganz und gar ZEIT-typisch überraschend und dabei doch neutral: Computerspiele sind voll krass gefährlich und so und machen agressiv und so. Das wird dann mit wirklich "harten" Fakten bewiesen:

Wir wissen, dass Killer- und Folterspiele Nachahmungstaten anregen. Erst vor wenigen Wochen hat in Montreal der 25-jährige Kimveer Gill eine junge Frau getötet und 19 weitere Studenten schwer verletzt. Sein Lieblingsspiel, schrieb er in einem Internet-Forum, sei Super Columbine Massacre RPG – ein Videospiel, das das 1999 verübte Massaker in der Columbine High School glorifiziert. 2002 ermordete der Erfurter Schüler Robert Steinhäuser, der seine Nachmittage mit Ego-Shooter-Spielen verdaddelte, 16 Menschen an seiner Schule, genau wie er es spielend gelernt hatte.
... so, so... nun bin ich aber doch überrascht. "Wir wissen...". Also, da muss ich doch sagen, dass ich diese Aussage etwas "steil" finde... klar, die ZEIT beruft sich auf Fachleute wie den guten Prof. Pfeiffer, der ja einen Namen hat durch Auftritte in Krawallmagazinen wie Frontal21 oder so. Toll. Sehr ausgewogen und sachlich. Irgendwie ist dagegen die Informatiponspolitik eines Herstellers, nämlich Electronic Arts, noch nachgerade mustergültig. Vielleicht hätte sich der Herr Lau von der ZEIT ´mal dort informieren sollen. Und auch die weiteren "Beweise" sind natürlich mustergültig: Ein Massaker in den USA hat seine Gründe im Computerspiel, nicht in der Tatsache einer waffenfetischistischen Gesellschaft. Und Robert Steinhäuser hat das Schießen auch am Rechner und nicht etwa im Schützenverein gelernt, ist klar.

Also, die Sache kommt doch an sich ganz passend: Die Späte Bundesrepublik hat auch bei der Freizeitbespaßung des Unterschichtenjungviehs lange darauf vertraut, dass es sich schon seinen Spaß suchen wird... oder gelegentlich mit ´ner finanzierten Jugendfreizeit sediert wird. Da ist wieder das Problem: Nachdem die Finanzierung dieser Sozialghettos als bequeme Lösung ganz anderer Probleme leider etwas zu teuer geworden ist, kann man doch wenigstens einen Schuldigen suchen statt darüber nachzudenken, welche Perspektiven denn genau fehlen... irgendwie bin ich etwas verwundert ob der ZEIT... das ist mir zu viel SPIEGEL-Online...

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